Autor: Axel Fischle, Management Factory AG, Giebenach, Copyright, 2015. Dieser Beitrag ist ein update und erschien in kürzerem Umfang zuerst 2013 in der Hotel Revue.
Verschlankung und Fokussierung statt breitem, unspezifiziertem Angebot
In Zeiten von starken Markt- oder Technologieveränderungen (Stichwort: Digitalisierung) ebenso wie in Zeiten von nachhaltigen Schwankungen der Kapazitätsauslastung z.B. aufgrund von Rezessionen oder Währungsaufwertungen, müssen in den Unternehmen die Strategie – genauer gesagt: Die Positionierung im Markt – auf den Prüfstand. Eine Nischenstrategie bietet Vorteile aus mindestens drei Gründen:
- ein Alleinstellungsmerkmal (wichtig: Aus Sicht des Kunden!) schafft man nur so.
- Kosten lassen sich schneller bzw. gezielter senken
- Notwendige Technologieveränderungen sind ggfs. leichter zu erkennen und schneller zu bewältigen
Verschlankung und Fokussierung ist somit weitaus erfolgversprechender als ein breites Angebot beizubehalten. (Siehe hierzu auch den Beitrag in Wikipedia zu den Wettbewerbsstrategien nach Porter hier.) Wir zeigen in diesem Beitrag am Beispiel der Hotellerie etwas konkreter, warum das so ist. Dieses Beispiel lässt sich mühelos auf andere Branchen übertragen, wo die Marktstruktur ähnlich ist. Diese Marktstruktur zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
- Sehr viele Nachfrager können ein Angebot von einer Vielzahl von Anbietern auswählen.
- Die Preise im Markt sind transparent aber eventuelle Unterschiede in der Leistung sind für die Nachfrager nur schwer vorab auszumachen. Somit entsteht ein relativ starker Preiswettbewerb.
„Alles für jeden“ entsteht aus der Not, führt aber ins Nirgendwo – der Kluge wählt die Nische!
Weil Fixkosten eine enorme Bedeutung haben und man keinen Kunden außer Acht lassen bzw. mitnehmen will, gehen viele Hotels einen scheinbaren sicheren Weg und bieten „alles für jeden“ in einem mittleren Preissegment. Wie das in Zeiten von signifikanten Markt- oder Technologieveränderungen schiefgehen kann, sieht am Beispiel Karstadt und vielen anderen. Demnächst werden leider viele Banken diesen Beweis erneut führen.
„Wir bieten alles und für jeden“ ist eben kein sehr erfolgversprechender Weg, um die Zukunft einer Warenhauskette, einer Universalbank oder eines Hotels langfristig zu sichern. Zumindest wenn die Nachfrage schwächelt, der Preiswettbewerb und Kostendruck hoch sind und außerdem der Standort irrelevant ist oder zunehmend wird.
Neue und bessere Chancen bieten sich insbesondere durch Nischenstrategien. Ein Hotel (bzw. eine Hotelkette) kann mit einer ausgefeilten, nischenorientierten Markt-Strategie heute einfacher denn je, gezielt genau die Marktsegmente, d.h. die Gäste, ins Haus holen, die zu dem Charakter des Hotels und seiner unmittelbaren Umgebung zum Markt in dem es steht, passen. Das sogenannte Inbound-Marketing im Internet bietet dazu hervorragende und nie dagewesene Möglichkeiten.
Strategieplanung: Vollständige Umsetzung konsequent durchdenken
In Strategiediskussionen spielen das strategische Konzept (wie kann oder muss die neue Strategie aussehen?) und das erforderliche Investitionsbudget immer eine dominierende Rolle. Unglücklicherweise wird weit weniger oft das Umsetzungsproblem ausreichend thematisiert und ganzheitlich durchgeplant. Unglücklicherweise deshalb, weil es bekanntlich nicht genügt, ein gutes Strategie-Konzept zu haben. Man muss es auch umsetzen.
Unglücklicherweise auch deshalb, weil die Umsetzungsplanung sich allzu oft auf die technische, sachbezogene Umsetzung wie zum Beispiel die bauliche Realisierung und die Werbestrategie (z.B. die neue Homepage) beschränkt. Denn darüber wird völlig vergessen, dass es für eine neue Strategie und dies gilt für eine Nischenstrategie ganz besonders, mindestens genauso wichtig ist, die internen Abläufe und Regeln, das Verhalten und die Einstellungen wie Mentalitäten, Werte, Glaubenssätze, etc. von Führung und Mitarbeitern zu verändern.
Was ist eigentlich eine Nischenstrategie in der Hotellerie?
Eine Nischenstrategie bedeutet, dass ein Hotel (oder eine Hotelkette) sich konsequent auf eine oder wenige Gästetypen (Marktsegmente) und die Erfüllung von deren Bedürfnisse und Wünsche ausrichtet. Das heisst, dass Hotel konzentriert sich auf einzelne Gästegruppen, die bisher noch nicht bzw. unzureichend von der Konkurrenz bearbeitet worden sind.
Nischen können unterschiedlich groß sein. Je kleiner die Nische, umso spezifischer muss das Angebot sein. Der Vorteil einer kleinen Nische (z.B. gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern) ist es, dass die Positionierung des Hotels kaum kopiert wird oder kopiert werden kann. Der Vorteil einer grossen Nische (z.B. sportliche Senioren) ist es, dass die Positionierung des Hotels mehr Absatzpotenziale hat. Der Wettbewerb in dieser Nische kann aber zu schnell zu einem starken Qualitäts- und Preiskampf führen.
Nischenstrategien: Warum geht es heute einfacher als früher?
Nischenstrategien können sehr profitabel sein und sind heute leichter zum Erfolg zu führen, als vor der Jahrtausendwende. Hierfür gibt es zwei Gründe:
- Die Gästetypen (Marktsegmente) unterscheiden sich heute viel stärker in ihren Lebensstilen und Einkommensklassen. Die Gesellschaft hat sich verändert und bringt auch viel offeners als früher Muster zu Tage wie: Patchwork-Familien, sportliche Senioren, anspruchsvolle Gourmets, Vegetarier, ruhesuchende LOHAS, etc.
- Für das Hotel-Marketing, insbesondere für den Hotelvertrieb bieten sich durch die digitalen Medien heute mehr Möglichkeiten als jemals zuvor, um die Ausrichtung und den Charakter des Hotels darzustellen und damit die Auslastung des Hotels strategisch zu anzusteuern. Von diesen Möglichkeiten (Buchungsportale, eigene Homepage, Social Media, Grossabnehmer) können familiengeführte Hotels ebenso profitieren wie Hotelketten.
Warum ist es trotzdem kein Kinderspiel?
Um von diesen neuen Möglichkeiten profitieren zu können müssen einige Hürden überwunden werden:
- Die Entwicklung einer erfolgreichen nischenorientierten Markt-Strategie muss zum Hotel, zum Standort und zu dem verfügbaren Investitionsbudget passen
- Die Umsetzung muss vernetzt und logisch aufgebaut und geplant werden
- Die Umsetzung konsequent muss auf allen Ebenen durchgeführt und durchgehalten werden
Schnelle Erfolge (mehr Ertrag ins Haus zu holen) sind dabei ebenso wichtig, wie ein langer Atem. Zwei Jahre für eine vollständige Strategie-Umsetzung sind nicht zuviel, sondern realistisch. Deshalb sind definierte Meilensteine ebenso wichtig, wie schnelle Erfolge (Quick wins). Bei der Umsetzung sind die finanziellen und psychologischen Gründen sehr wichtig. Denn wenn man sieht, dass die Entwicklung in die richtige Richtung läuft, ist es einfacher durchzuhalten.
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